Roquetas de Mar nach Sevilla
2002
Teil 2 Amberella goes Atlantik
Donnerstag 18. Juli 2002
Wie so oft bewährt sich die Wettervorhersage nicht. Wir haben
perfektes Wetter zum ablegen. Am Morgen fahren wir aus dem Slipdock
und legen zum Frühstück bei Isabelle und Juancos Katamaran
Juanco an. Andrea von der SY Kilmeny kommt
auch vorbei und wir sitzen im Salon vom großen Kat und tauschen
letzte Infos aus. Andrea will nun auch gleich absegeln. Also beschließen
wir, dass wir zusammen segeln werden. Für uns ist es gut
Andrea in der Nähe zu haben, denn wir sind nach 9 Monaten
Stadtleben doch noch ein wenig zu nervös. Andrea durchfuhr
die Strasse von Gibraltar mindestens 3-mal und segelte auch eine
Yacht mit defektem Motor von den Kanaren bis nach Australien.
Nina und ich sind schwer beeindruckt von dieser starken und selbstbewussten
Frau.
Andrea nimmt sich einen Vorsprung von einen 3/4 Stunde, da wir
ohnehin schneller segeln werden als das um 3 Meter kürzere
Schiff.
Die ersten 15 Meilen bestehen aus perfektem Segeln bei halbem
Wind. Besser könnten wir es uns nicht wünschen. Amberella
schneidet durch das Wasser und macht teilweise 7 Knoten Fahrt,
im Durchschnitt 5 Knoten. Schnell haben wir mit Andreas
Kilmeny aufgeschlossen doch dann schläft der
Wind ein und wir verlieren an Fahrt. Kilmeny beginnt
zu Motoren, mit Unterstützung des Großsegels, während
wir wieder abfallen und noch eine Weile versuchen ein bisschen
Fahrt zu machen. Doch am späteren Nachmittag müssen
auch wir den Motor einschalten und wir fahren die gesamte Nacht
mit Motor und Stützsegeln. Am Abend besucht uns eine Schule
Grindwale (auch Schweinswale genannt) Sie sind etwa doppelt so
groß wie Delphine und haben einen stark abgerundeten Kopf.
Überall vor, neben und hinter der Amberella tauchen die friedlichen
Wale auf und begleiten uns für ein Stück.
In der Nacht holen wir Kilmeny wieder ein und Motoren
mit verminderter Geschwindigkeit. Bei leichtem Wind aus Südwest
und ohne Welle können wir ab und zu hart am Wind ein paar
Meilen segeln, lassen Andrea wieder herankommen und schalten dann
unseren Motor wieder ein um nicht zu viel Zeit zu verlieren.
Freitag 19. Juli 2002
Wir verbringen den Tag mit Motor und teilweise segeln um die Bucht
von Malaga zu durchqueren. Es ist ein eher langweiliger Tag, ohne
Ereignisse.
Die Costa del Sol ist so schrecklich betoniert, dass ein Besuch
dieser tristen Hotelwüsten wirklich nicht lohnt. Einige Orte
haben ein wenig mehr gelernt und stellen keinen großen Hotelkomplexe
mehr auf, sondern maximal 2 -stöckige Apartmenthäuser,
die als Ferienwohnungen zur Miete oder zum Verkauf angeboten werden.
Dennoch sind wir froh diesen Teil Spanien zu verlassen. Nur das
Hinterland bietet noch spanisches Flair. Die gesamte Küste
ist ein einziger Schandfleck der Hotel und Touristenindustrie.
Badegäste baden hier bei Seewind in ihrer eigenen Kloake,
denn nur wenige Hotels leiten ihr Abwasser in eine funktionierende
Kläranlage. Allein in Roquetas wären 4 Anlagen notwendig,
jedoch ist nur eine Kläranlage in Betrieb. Fast alle Abfälle
landen im Mittelmeer. Bei Ostwind stinkt einem am Meer nicht nur
nach Fisch.
Hier sollen die Pauschalurlauber ihren Paketurlaub ruhig buchen.
Hoch lebe der Katalog der die schöne Küste im Hochglanz
abbildet.
Wir freuen uns auf das eher nur leicht vom Tourismus bevölkerte
Spanien an der Atlantikküste. Der Atlantik hat seinen schlechten
Ruf, weil er nicht so warm sei wie das Mittelmeer und es herrscht
immer Wind. Na ja, das ist Ansichtsache. Jedenfalls ist die Atlantikküste
grün und viel facettenreicher als das Mittelmeer. Die Dörfer
sind noch urtümlich und der Tourismus eher mild ins Dorfleben
einbezogen worden.
Weil beständig der Wind aus West oder Südwest weht,
obwohl alle Wetterstationen uns bisher für jeden Tag Ostwind
prophezeien entschließen wir uns nahe Esteponia, ca. 15
sm vor dem Point Europa, dem eigentlich Kap Gibraltar einen Stopp
einzulegen. Wir warten hier auf bessere Stromverhältnisse
die von den Gezeiten bestimmt werden. Der Ankerplatz bei Sabinilla
ist ein wenig schaukelig aber wir haben uns den Schlaf verdient.
Vorher jedoch statten wir dem Urlaubsdörfchen einen kurzen
Besuch ab. Die Brandung schlägt auf den Strand und wir haben
Mühe mit dem Dingi anzulanden. Nach Tapas und Bier wird die
Rückfahrt besonders nass. Das Dingi überschlägt
sich beim ersten Versuch. Wir suchen einen besseren Ort um das
Dingi zu besteigen, aber die leichte, jedoch heftige Brandung
macht es uns unmöglich. Ich schwimme das Dingi aus der Brandung
und wir müssen alle ins Wasser um ca. 30 Meter vor dem Strand
in das Dingi zu klettern. Pitschnass aber trotzdem lachend kommen
wir an den Schiffen an. Sabinilla hat uns zum letzten Male gesehen.
Samstag 20. Juli 2002
Um 0900 Uhr motoren wir in die nahe gelegenen Marina und nehmen
noch mehr Diesel auf. Jetzt kann die Fahrt nach Gibraltar beginnen.
Wir haben ca. 1 Knoten Strom gegen uns. Der Wind bläst variabel
mal aus Südwest, dann wieder Nordwest. Ab und zu können
wir die Genua zur Unterstützung des Motors einsetzen. Nach
ca. 5 Meilen begrüßen uns 5 Delphine und tauchen und
springen am Bug der Amberella durch. Zum ersten Mal seit wir innerhalb
3 Jahren das Mittelmeer besegeln erwische ich sie mit der Camera.
Vor dem massiven Felsen von Gibraltar ankern zahlreiche Frachter
und warten auf das Pilotboot zur Einfahrt in den Hafen. Wir halten
uns dicht unter Land und ich hisse die englische Gastflagge.
Wir haben kurz Telefonkontakt mit der Yacht Wego ,
Uschi und Lenn, die im spanischen Teil von Gibraltar, in La Linea
ankern. Da wir zu ungünstigen Stromverhältnissen abgefahren
sind, planen wir zunächst in die Bucht von Algecirras einzufahren
und auch in La Linea zu ankern.
Als wir Point Europa passieren rechnen über Funk mit Andrea
SY Kilmeny noch einmal die Stromverhältnisse
durch und entschließen uns bei dem leichten Südwestwind
das Cap Carnero anzusteuern. Die Bücher und Kurzbeschreibungen
zur Durchfahrt der Strasse variieren sehr stark und in jedem Buch
stehen ein paar andere Tipps und Taktiken, wie man sich in der
Strasse verhalten sollte. Sinn macht auf alle Fälle die Taktik,
sehr dicht in Landnähe zu navigieren, denn hier treten bei
einlaufendem Wasser aus Westen, ähnlich einem Flussrand Gegenströme
in Richtung Osten auf, die uns ein wenig helfen vorwärts
zu kommen.
Zuerst jedoch weichen wir den Strömungen die nahe durch die
Bucht Algecirras auftreten aus, indem wir weiter in die Strasse
von Gibraltar zusteuern. Es gibt hier viel Verkehr von Frachtern
und Fähren und zweimal navigieren wir knapp zwischen zwei
Fähren hindurch die sich wenig um die kleinen Segelschiffe
kümmern. Dann nachdem wir 2/3 der Buchtmündung überquert
haben nehmen wir Kurs auf das Cap von Tarifa und motoren unter
Segel, bei leichtem Südwestwind dichter unter Land und messen
nur 1 bis 1.5 Knoten Strom gegen uns. Das könnte klappen
und wir entschließen uns die Fahrt durch die Strasse von
Gibraltar fortzusetzen.
Nachdem wir die Hälfte der Strecke zurückgelegt haben,
zieht eine kleine dunkle Wolke über uns hinweg und der Wind
schläft kurz ein, ehe er um 180 dreht und plötzlich
mit Stärke 6 7 achtern zu blasen. Wir brauchen eine
Weile die Segel unter Kontrolle zu bekommen, aber rauschen dann
mit kleiner Fock 6 Knoten die sich schnell aufbauende See hinunter.
Die Wellen sind kurz und ca. 2.5 Meter hoch, da der Wind gegen
den Strom bläst. Bis Tarifa ist es nun nicht mehr weit und
wir fragen uns ob dieser starke Wind nun zu einem ausgewachsenen
Levante (Ost) Sturm auswachsen wird. Nachdem wir die Halbinsel
von Tarifa umrundet haben, ist es jedoch nicht bedeutend windig
und wir ankern sicher am Strand im Westen von Tarifa. Andrea und
die SY Kilmeny sind noch ca. 1 Stunde hinter uns und
während wir kurz die Idylle am Ankerplatz beschreiben, wechselt
der Wind abermals und bläst uns nun aus West in die offene
Bucht. Für eine Weile schauen wir verdutzt dem Treiben zu,
müssen aber feststellen dass dieser Ankerplatz nun keinen
Schutz mehr bietet. Die Kilmeny geht auf der Ostseite
von Tarifa vor Anker und wir folgen kurz darauf. Die kleine Lagune
bietet guten Schutz vor dem Wind, aber es steht eine leichte Dünnung,
die uns ein wenig durchschaukelt. Eine andere Variante sehen wir
nicht, denn der Yachthafen von Tarifa ist nicht besonders gemütlich,
und man kann dort nur mit langen Leinen längsseits an der
Pier festmachen. Ein Aufenthalt bei starkem Westwind kann, gemäß
Hafenhandbuch sehr schnell zum Alptraum werden. Da liebe ich mir
die Ankerbucht.
Sonntag 21. Juli 2002
Die Wettersituation hat sich nicht verändert. Beständig
weht der Wind aus West und soll auch in den nächsten Tagen
nicht abflauen. Wir nutzen unsere Pause mit einem Besuch in der
schönen Stadt Tarifa. Der historische Kern der Altstadt ist
wirklich attraktiv und zahlreiche Cafes und schöne Geschäfte
säumen die schmalen Gassen. Touristen sind nur wenige hier,
meist Spanier, oder einige Backpacker die sich den als windreichsten
Surfstrand Europas deklarierten Strand ansehen wollen.
Wir lassen es uns gut gehen und nehmen Tapas und Clara (Bier mit
Sprite) in einer authentischen spanischen Bar zu uns.
Am Abend bekommen wir Besuch aus Sevilla. Gogi und Sergio, unsere
spanischen Freunde die uns im letzten Herbst ihre Heimatstadt
Sevilla zeigten lassen es sich nicht nehmen uns auf der anderen
Seite Spaniens zu begrüßen.
Sergio möchte uns unbedingt auf der Flussfahrt nach Sevilla
begleiten. Gogi ist aufgelöst wie immer und spricht immer
vom gründe Fiesta in Sevilla, sobald wir dort
sind.
Der Westwind weht beständig und unsere Hoffnung, dass durch
die thermische Landbrise der Wind zumindest in der Nacht einschlafen
könnte, bestätigt sich auch an diesem Abend nicht. Uns
bleibt nichts weiter übrig als abzuwarten und auf bessere
Windverhältnisse zu hoffen. Noch haben wir 9 Tage um Sevilla
zu erreichen.
Montag 22. Juli 2002
Auch heute beständig Westwind. Wir bleiben optimistisch und
rüsten uns für eine neue Exkursion in die Altstadt von
Tarifa. Nina verfällt dem typischen lädele,
wie die Schweizer für Einkaufsbummel sagen und hält
vor jedem Geschäft an.
Wieder werden wir von Tapas verwöhnt. Nachdem wir in einer
Tapas Bar, die uns als Tipp von einem deutschstämmigen Spanier
empfohlen wurde, nicht sehr begeistert waren, enden wir in der
gleichen spanischen Bar wie am Vortag. Hier ist es noch echt urchig
und Touristen sind Exoten.
Cafe Bonbon, das ist Espresso mit gesüßter
Kondensmilch, und Kuchen runden das Festmahl ab und der Bummel
durch die Gassen von Tarifa beginnt von neuem. In einer Reiseagentur
und einem Internetcafe informiere ich mich über die Flugverbindungen
um von Sevilla nach Zürich, bzw. Nina nach Berlin zu gelangen.
Die Reiseagentur kann nur günstige Flüge aus Malaga
finden, und man muss auch sofort bar bezahlen um eine Reservation
zu sichern. Im Internet suche ich nach Möglichkeiten der
Billigairline EasyJet und spiele alle Varianten durch. In die
Schweiz scheint die Rückkehr kein Problem auch wenn ich fast
billiger fliege wenn ich von Madrid über London nach Zürich
fliege (gesamt ca. 190 Euro) oder aber den Zug direkt nach Barcelona
nehme um einen der Flüge nach 2 täglichen Flüge
nach Genf zu erwischen. Dank des GA (Jahres-Generalabonnement
für alle öffentlichen Verkehrmittel) in der Schweiz
spielt bei mir der Ankunftsflughafen keine Rolle. Schwieriger
wird es bei Nina, die nach Malaga fahren muss um nach Berlin zu
gelangen.
Dienstag 23. Juli 2002
Der Himmel ist bedeckt und die Windvorhersage bleibt bei Westwind.
Trotzdem wagen wir uns aufs Meer um wenigstens den Hafen Barbate
zu erreichen, und bei guten Verhältnissen die Passage durch
das Wellental von Trafalgar zu durchfahren. Wir brechen erst gegen
1000 Uhr auf, da wir jetzt die Gezeitenströme auf unserer
Seite haben. Durch den bedeckten Himmel hoffen wir außerdem,
dass die thermischen Winde (Seebrise) am Nachmittag auch nicht
so stark sein würden.
Wir lichten den Anker und runden die Halbinsel Tarifa. Danach
nehmen wir Kurs 292° und Motoren mit Segelunterstützung
gegen den auf Nordwest drehenden Wind. Die Brise und die Wellen
sind jedoch leicht, und wir kommen mit der Strömung gut voran.
Nach ca. 5 Meilen stellen für einige Zeit den Motor ab, um
in die Bucht vor Barbate hineinzusegeln. Wir sind zwar nicht ganz
auf Kurs ca. 330°, aber wir sind es müde den Motor zu
hören. Vor Barbate entscheiden wir weiterzusegeln und wechseln
wir für einen Schlag, auf süd-westlichen Kurs 210°
um das hiesige Tunfischnetz weiträumig zu umfahren. Dann
setzt die Strömung gegen uns ein und wir müssen den
Motor wieder einschalten. Vor Trafalga müssen wir genau navigieren
um die zahlreichen Felsen und Strömungen die auf uns lauern
sicher zu umschiffen. Doch wir haben genügend Abstand vom
Cap. 2. Knoten Strömung sind hier gegen uns. Andrea von der
SY Kilmeny ist wieder das Begleitschiff und versorgt
uns mit aktuellen Informationen zu den Gezeitenströmen. Zu
jeder vollen Stunde stehen wir in Funkkontakt. Wir steuern unsere
Geschwindigkeit immer ein wenig so, dass wir in der Nähe
bleiben. Auf Höhe des Caps dreht der Wind mehr auf West und
wir können Segel setzen. Zuerst machen wir durch die Gegenströmung
nur 2.5 Knoten, und Andrea kann unter Motor und Großsegel
wieder an uns herankommen, doch bald schon segeln wir unter Großsegel,
Fock und Arbeitfock mit 4 Knoten gegen die noch immer leichte
Strömung an. Unser Tagesziel Barbate haben wir längst
hinter uns gelassen und weil es so gut vorangeht setzen wir Kurs
auf Conil. Von hier aus sind es nur 7 Meilen nach Sankti Petri,
der Lagune die wir unbedingt besuchen wollen.
Vor dem Strand der Stadt Conil suchen wir vergebens nach dem Hafen.
Etwas unsicher setzen wir unsere Reise knapp entlang der Küste
fort und finden das Breakwater des Hafens weiter nördlich
unterhalb des Caps. Roche.
Der Hafen scheint sich für uns zu eigenen, doch die Pier
ist voll mit Fischtrawlern belegt, die in 3-4er Paketen an der
Mole liegen und weiter hinten im Hafenbecken ist es nur 2 tief.
Zurzeit ist Ebbe, doch Amberella hat einen Tiefgang von 2.10m.
Wir entscheiden uns außerhalb des Hafens bei 3 Meter Wassertiefe
vor Anker zu gehen. Der Grund ist mit Steinen durchsetzt, aber
das der Wind diese Nacht abzuflauen scheint, nehmen wir diesen
Platz aus Kurzaufenthalt in Kauf. Die Küste hier ist von
felsigen Buchten mit viel Sandstrand gespickt. Einige Abschnitte
haben eine imposante Steilküste aus rotgelbem Sandstein.
Ich werde ein wenig an die Westküste Australiens erinnert,
denn die Felsen leuchten rot bei Sonnenuntergang.
Am späten Abend rechnen wir noch mal die Gezeiten für
den folgenden Tag aus und gehen bei Windstille und ruhendem Atlantik
schlafen.
Mittwoch 24. Juli 2002
Die Tour von Conil nach St. Petri ist ein Katzensprung. Gerade
mal 12 Meilen. Vor der Einfahrt in die Flussmündung müssen
wir höllisch auf die Wassertiefen achten. Die Sandbänke
verschieben sich in jedem Jahr und keine Karte kann die Positionen
der Untiefen genau bestimmen. Wir haben halbes Hochwasser und
kommen sicher in Sancti Petri an. Ein reger Verkehr ist in der
Lagune. Dutzende Yachten liegen im Strom vor Anker und Windsurfer,
Segeldingis und Jetskis fahren kreuz und quer durch den Kanal.
Nachdem wir in seichtem wasser geankert haben, nehmen wir uns
eine kleine Exkursion vor. Das Fischerdorf Sancti Petri erlebte
eine kurze Blüte in den 40er bis 50er Jahren, ehe der Tunfischfang
nicht mehr lukrativ war. Das gesamte Dorf wurde aufgegeben und
man kann durch die leeren Häuser und Gassen spazieren und
sich da rege Treiben nur vorstellen. Der Tourismus soll dieses
Dorf wieder zum Leben erwecken. Wir hoffen jedoch, dass der Ort
noch eine Weile länger unangetastet bleibt. Bisher kommen
nur Spanier am Wochenende und einige Segelschulen nutzen die idealen
Bedingungen für Ihre Kurse. Ich beobachte fasziniert einen
Surfer der mit einem Gleitschirm und einem Surfbrett in vollem
Tempo durch die Brandung raucht und tollkühne Sprünge
zeigt.
Donnerstag 25. Juli 2002
Wir genießen einen weiteren Tag in St. Petri. Gleich am
Morgen bei Ebbe besuchen wir mit dem Dingi die nahe gelegene Insel
welche ein altes Castel beherbergt. Jetzt gehört die Insel
den Möwen. Der Strand ist voll mit ausgewaschenen Steinen
die kuriose Formen zeigen. Nina und Andrea sammeln wie verrückt
Muscheln und ich erkunde die leeren Räume des Castels. Im
Norden der Insel hat die Brandung seltsame Formen in das vulkanähnliche
Gestein geformt. Ich springe von Klippe zu Klippe und beobachte
die zahlreichen Krebse und Fische die den Rückzug des Hochwassers
verpasst haben und nun in zahlreichen kleinen Pools auf das nächste
Hochwasser warten.
Den Nachmittag verbringen wir in der Strandbar, gehen nochmals
am Strand spazieren und lassen den Abend mit Andrea auf der SY
Kilmeny ausklingen.
Freitag 26. Juli 2002
Ein kurzer Sprung nach Cadiz, bei idealem Segelwetter. Zuerst
müssen wir noch etwas mit dem Motor nachhelfen, doch als
die Seebrise einsetzt können wir lässig in die große
Bucht von Cadiz einsegeln. Der Hafen ist riesig und wir suchen
uns ein privates Plätzchen an der Nordmole. Wir ankern und
setzen einen zweiten Anker um sicher zu gehen. Dann wird Cadiz
erkundet. Die mehr als 3000 Jahre alte Stadt hat seinen eigenen
Charme. Enge Gassen, doch 3-4 stöckige Häuser mit vielen
bunten Balkonen bilden die Altstadt. Zahlreiche Kirchen und überraschende
Plätze runden das phantastische Bild ab. Wir besuchen den
kleinen Turm Tavira und sehen in der Camera
obscura die Dächer der Stadt und alle Sehenswürdigkeiten.
Die Camera besteht aus einem Spiegel der vom Dach
des Turmes auf einen Parabolspiegel projiziert wird. Man steht
in einem verdunkelten Raum und kann die gesamte Stadt überblicken.
Wir finden die Camera ist eine tolle Idee.
Am Nachmittag zeigt uns Andrea ihre Lieblingstapabar und wir sitzen
nahezu 2 Stunden und schlemmen. Dann ruft Sergio aus Sevilla an
und kündigt an dass er, seine Freundin Gogi (Begonia) und
Tochter Candela der Amberella einen Besuch abstatten werden. Sie
werden mit uns die Flussfahrt nach Guelves unternehmen.
Am späten Abend treffen sie ein und wir haben viel zu erzählen.
Samstag 27. Juli 2002
Nach einem schnellen Einkauf sagen wir Adieu zu Andrea und setzten
Segel. Inzwischen hatte sich eine steife Landbrise entwickelt
und wir hatten mehr als 1 Stunde zu tun um den zweiten Anker von
Hand aufs Deck zu ziehen. Kilmeny nahm den Anker zuerst
auf und wurde mittels Leinen von der Amberella gehalten,
damit das Schiff vom Wind nicht aufs Dock gespült wird. Danach
nahmen wir unseren Hauptanker auf und hielten uns am Heckanker
fest, denn Wind und Wellen drückten uns in Richtung Dock.
Mittels Motor und der Kraft von Sergio schafften wir es Stück
für Stück die Kette einzuholen.
Nach diesem Kraftakt setzen wir segeln und hatten perfekte Verhältnisse
für unsere Fahrt zur Flussmündung des Guadalquivir.
Mit einem Reff im Großsegel und einer kleinen Fock zog Amberella
ihre Linie durchs Wasser. Wir erreichten die Flussmündung
zur perfekten Zeit und segelten mit der Strömung hinein.
Einiger Verkehr von Frachtern brachte noch etwas Abwechslung,
aber nachdem wir Bonanza passierten, gehörte der Fluss uns.
Diese Stille war einfach wunderschön. Mit mehr als 2 Knoten
Strom und gerefften Segeln schwebten wir mit bis zu 7.5 Knoten
den Fluss hinauf. Ich hatte mir eine langweilige Fahrt unter Motor
vorgestellt, aber das war etwas ganz anderes. Die Landschaft wechselte
immer wieder ihren Anblick. Olivenhaine wechselten zu Orangenplantagen,
Eukalyptusbäumen und Pappeln. Wir sahen dutzende Störchenester
in den Baumwipfeln am Ufer. Die Krabbenschiffe die mit ihren zum
trocknen ausgespannten Netzen ruhig am Rande des Flusses vor Anker
lagen sahen von der Ferne wie Flugdrachen aus.
Wir segelten mehr als die Hälfte des Flusses hinauf, ohne
das wir andere Schiffe sahen. Bienenhäuser, Salinen, Pferdehorden.
Es gab immer Abwechslung zu sehen. Die Stille war das Beste an
der Fahrt. Man hörte praktisch keinen Laut, außer es
sprang hier und da ein aufgeschreckter Fisch am Bug der Amberella.
Im trüben Wasser wurde der (jetzt) gelbe Rumpf des Wassers
bronzefarben widerspiegelt. Mit jeder Meile die wir uns Sevilla
nähern steigt die Lufttemperatur. Aber es war durchaus auszuhalten.
Noch haben wir etwas Wind und die Kühle des Flusswassers,
doch in Sevilla erwarten uns Lufttemperaturen von bis zu 48 Grad
im Schatten. Nach Sonnenuntergang ankerten wir seitlich im Fluss
(nahe roter Tonne 28) und genossen ein köstliches Pastaessen
und Wein mit unseren Freunden, Sergio, Begonia und Tochter Candela.
Sonntag 28. Juli 2002
In der Nacht gab es eine Mückeninvasion. An diese Quälgeister
sind wir gar nicht mehr gewöhnt. Wir hatten somit trotz der
Ruhe einen eher unruhigen Schlaf. Am Morgen sind wir sind spät
für die richtige Gezeit, die Flut scheint schon wieder zu
kippen, doch die letzten 15 Meilen fahren wir unter Motor den
Fluss hinauf. Jetzt wechselt die Landschaft. Wir passieren 2 Fischerdörfer
und sehen im Flachland schon weit vor uns die Brücken der
Stadt Sevilla. Vor Sevilla teilt sich der Fluss. In Richtung Guelves
geht der natürliche Lauf des Flusses. Vor tausenden Jahren
jedoch wurde bis Sevilla ein schiffbarer Kanal gebaut. Die großen
Frachter aus aller Welt durchfahren hier eine Schleuse und eine
Hebebrücke und machen an den Docks inmitten der Stadt fest.
Wir biegen nach links ab, in Richtung Guelves, und machen in dem
kleinen Yachthafen fest. Es ist sehr eng im Hafenbecken, die Strömung
an der Einfahrt recht stark, und beim parkieren in die Box steigt
das Adrenalin wie gewohnt bis in die Nackenhaare. Doch auch das
ist geschafft und wir erfahren wie gewohnt einen warmen Empfang.
Maria, eine von 13!! Schwestern Begonias betreibt die Bar im Hafen.
Etwas Besseres kann uns nicht passieren. Wir haben unser Bier
und den Tinto Verano redlich verdient.
Als wir nach der stressigen Arbeit am Schiff in Roquetas ablegten,
hatte ich noch nicht geglaubt in die Nähe von Sevilla zu
kommen. Doch das Wetter war auf unserer Seite und wir hatten eine
phantastische Reise vom Mittelmeer, in den Atlantik. Die Flussfahrt
war ein Höhepunkt auf der gesamten Reise.
Sergio hatte bereits den Termin für den Travellift reserviert
und so begannen wir noch am Nachmittag mit den Arbeiten am Schiff.
Alle Leinen und Segel wurden gewaschen und zum Trocknen aufgezogen.
Der Motor hatte bereits seit 4 Stunden seine Frischwasserspülung
und benötigte keine weitere Aufmerksamkeit. Unser Dieselmotor
der mit seinen 30 PS die 15 Tonnen Amberella bewegen musste, hat
sich wirklich während der gesamten Reise durch das Mittelmeer
bewährt. Die Probleme mit der Luft im Diesel am Anfang der
Reise, können wir unserem geliebten "Otto" (der
Dieselmotor) ja nicht zuschreiben.
Den Hafen von Guelves kennen wir schon von einem Besuch im letzen
Jahr. Wir treffen die Crews der Yacht Sansibar Anita
und Michael, denen wir auf der Flussfahrt in der Nähe unseres
Ankerplatzes begegneten. Auch ein holländisches Seglerpaar
mit ihrer Yacht Dutch Brandy ist noch im Hafen. Sie
haben im letzten Jahr für einige Tage an der Seite von Amberella
in Roquetas de Mar gelegen. Mit einem späten Abendessen auf
der Amberella geht der Tag zu Neige.
Montag 29. Juli 2002
Wir schliefen aus und setzen unsere Arbeit am Schiff fort. Alles
wird verpackt, denn Amberella geht erneut für ein Jahr aufs
Festland. Im Office erfahre ich dass ich bereits um 1100 Uhr im
Dock des Travellift festmachen kann. Das Navigieren aus der Box
im engen Hafenbecken gelingt perfekt, doch vor dem Dock kann ich
nur mit Bug voraus parkieren. Ich unternehme einmal den Versuch
das Schiff auf engsten Raum zu drehen, doch der Wind drückt
uns zu nahe an die anderen Schiffe und macht das Navigieren unmöglich.
Wir warten also im Dock, bis die Werftarbeiter auftauchen. Mittels
einem Dingi und Festmacherleinen wird Amberella aus dem Dock gezogen
und sanft gedreht. Das Manöver ist ein bisschen kompliziert
weil der Wind uns immer an die Mauern des Docks drücken will,
doch mit Hilfe von 2 langen Leinen können wir schlussendlich
das Schiff drehen.
Es sind mindestens 12 Meter Höhenunterschied vom Wasserbecken
des Docks bis hoch zum Land, die der Travellift unsere Amberella
aus dem Dock heben muss. Der Rumpf erscheint blank und sauber,
denn er war ja nur 15 Tage im Wasser. Wie gewohnt bekommen wir
einen flauen Magen, wenn wir unser Schiff in den Gurten des Krans
hoch hängen sehen.
Mit dem Schiff auf dem Land spüren wir vollends die Hitze
im Land. 45 Grad im Schatten sind kaum auszuhalten. Zur Mittagszeit
sind die Strassen wir leer gefegt und man flüchtet in die
klimatisierten Restaurants. Das machen auch wir und verabreden
uns mit Sergio, Gogi, Candela, Maria Luisa und Ignacio, (Ehemann
von M.L) zu einem langen und reichhaltigen spanisches Mittagessen.
Am Abend besuchen wir in Sevilla das Open Air Kino Alameda
de Hercules. Begonia arbeitet hier und wir sehen den spanischen
Film Solo mia, der kritisch die Zustände in spanischen
Familien aufzeigt. Wir haben eine weitere Lektion Spanischunterricht.
Dienstag 30. Juli 2002
Wir haben bereits am Montag versucht unser Zugticket für
die Fahrt von Berlin nach Zürich umzubuchen. Dabei haben
wir nicht damit gerechnet wie kompliziert die Deutsche Bahn das
Ändern einer Reservation handhabt. Ohne den persönlichen
Besuch in einer Zugstation in Deutschland!!! ist das Ändern
der Reservierung nicht möglich. Wir sind in Spanien und werden
erst am Mittwoch in Deutschland eintreffen. Und zwar just zu der
Zeit wo alle Schalter bereits geschlossen sind und wir noch ca.
1.5 Stunden Zeit haben um in einem Rennen den Zug in Leipzig zu
erreichen. Das Ticket verfällt also, sollten wir nicht rechtzeitig
am Bahnhof erscheinen.
Trotz zweier Servicenummern, Fax und die Hilfe meiner Eltern in
Deutschland kann Die Bahn keine Lösung für unser Problem
anbieten. Wir können das nicht verstehen, denn wir haben
bisher alles Tickets für Flüge etc. im Internet und
per Telefon gebucht. Die Flugtickets von Spanien nach Deutschland
z.B. sind sogar durch ticketlose Bestellung bezahlt und wir steigen
ins Flugzeug, nur mit Hilfe einer Buchungsnummer. Jedenfalls sind
wir sinksauer, versuchen im Bahnhof von Sevilla eine Umbuchung,
die auch nicht gelingt und lassen uns unseren Besuch im Reisecenter
von Sevilla bestätigen.
Unseren letzten Abend verbringen wir in Sevilla und gehen japanisch
Essen.
Der Mittwoch wird ein anstrengender Reisetag. Jetzt beginnt der
Wettlauf nach Hause. Zug von Sevilla nach Almeria (600km), Flugzeug
von Almeria nach Dresden (2800 km), Kinder aufnehmen und Autofahrt
von Dresden nach Leipzig (130km), dann Zugfahrt von Leipzig nach
Zürich (800km). Warum der Umweg und der Stress? Fragen wir
uns selbst. Ja eigentlich wollten wir noch 2 Tage in Deutschland
bei der Familie verbringen, aber Dank des Service der Bahn beeilen
wir uns lieber auf den Zug.
Ich habe mir jedenfalls die 1172 Seiten dicke englische Version
des Buches Der Herr der Ringe (Lord of the Rings)
ins Gepäck gesteckt, um diese Reisetortur zu überstehen.
Mittwoch 31. Juli - Donnerstag 1. August.
Der Reisetag läuft genau wie beschrieben ab und wir erreichen
alle Destinationen pünktlich. Selina und Nastasja sind ebenfalls
braun gebrannt vom täglichen Baden im Pool bei den Großeltern.
Ich schmuggle mich mit in den Schlafwagen des Citynightline-Zuges
und bezahle keinen Rappen für die zusätzliche Person
im Abteil, denn ursprünglich wurden 1 Erwachsener und 2 Kinder
reserviert.
Um 10.00Uhr kommen wir in Rapperswil und erleichtert in unserer
Wohnung an.
Alles beim alten. Ich beende unser Tagebuch und schalte den Mac
zu Hause ein. Mein Computer lädt ca. 2800 E-Mails vom Server.
Ca 2750 Mails sind automatische Absenzmeldungen. Mein Computer
und der PC eines anderen Computer-Händlers haben sich während
der Ferien alle 2 Minuten gegenseitig mitgeteilt, dass die während
einer bestimmten Zeit im Urlaub sind. Na wenigstens hatten die
zwei sich etwas zu erzählen.:)
mehr Tagebuchberichte? Teil
1Die Vorbereitungen der Reise in den Atlantik oder schlag
nach im Archiv oder
zurück nach oben
|